Was passiert eigentlich, wenn wir hungern?

24. September 2024

Bevor wir uns näher mit den 10 Leitgedanken von Intuitiv Essen (Tribole/Resch) beschäftigen, ist es ganz gut, sich zuerst einmal einen groben Überblick über die Wirkmechanismen unseres Körpers zu verschaffen.

Viele Menschen kämpfen mit dem Gefühl, dass sie ihrem Körper nicht richtig trauen können, weil Vorgaben aus der Diätkultur dazu animieren, das natürliche Hungergefühl zu unterdrücken. Solche Einschränkungen können zu einer echten Kettenreaktion führen, woraus dann Heißhungerattacken und Essanfälle entstehen können.

Lange, viel zu lange haben wir gedacht bzw. wurde angenommen, dass ein tägliches Defizit zwischen Energieverbrauch und Energiezufuhr reicht, um Gewicht zu verlieren. Doch die Rechnung wurde ohne die wunderbaren Wirkmechanismen unseres Körpers gemacht.

Noch eine wichtige Info, bevor wir starten: Glucose (ein Kohlenhydrat) ist DER Treibstoff für viele wichtige Prozesse in unserem Körper. Unser Gehirn und unsere roten Blutkörperchen sind auf Glucose angewiesen.

Was passiert also? Hier einmal eine grobe Übersicht:

Legen wir los: In den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten achten wir darauf, dass die Energiezufuhr unter dem Energieverbrauch liegt.

Wir versetzen unseren Körper in einen Hungerzustand.

Du spürst die ersten Reaktionen auf das Energiedefizit

 

Dein Körper reagiert auf diese Unterversorgung. Vor allem, wenn du noch nie eine Diät gemacht hast, verlierst du ein den ersten Tagen spürbar an Gewicht. Das liegt an verschiedenen Ursachen.

 

Hier ein paar davon:

 

  Der Körper baut zuerst die Kohlenhydrat-Speicher ab. Er gewinnt die Energie, die von außen nur noch gedrosselt kommt, aus seinen Kohlenhydrat-Vorräten. Glykogen wird in den Treibstoff Glucose umgewandelt. Kohlenhydrate binden Wasser – beim Abbau wird dieses frei und dann ausgeschieden. Das ist der Grund für den ersten Gewichtsverlust. Diese Glykogen-Speicher sind jedoch schnell geleert 

 

Die nächsten Reserven, die unser Körper nutzt, sind die Fettdepots. Das Fett baut er über ausgeklügelte Mechanismen in Kohlehydrate um, damit er sich weiter mit genügend Energie versorgen kann.  

 

 Inzwischen ist bekannt, dass Proteine ebenfalls relativ schnell zur Energieversorgung herangezogen werden. D.h., dass auch der Umbau von Muskel-Proteinen in Kohlenhydrate ziemlich früh beginnt – früher, als bisher angenommen wurde 

 

Wenn ich das so schreibe, denke ich doch gleich wieder, was für ein Wunderwerk und „Stoffwechsel-Künstler“ unser Körper doch ist.

Aber weiter….

Dein Körper schlägt Alarm

Wie gesagt, dein Körper will überleben und das kann er sehr gut, denn über die Jahrtausende haben wir Menschen immer wieder schlimme Hungerkrisen überstehen müssen.

 

Deshalb sendet er mehr und mehr Hungersignale aus. Hunger hat verschiedene Abstufungen. Der „nagende“ Hunger, also das Ziehen, Rumpeln und Zwicken, ist die höchste Alarmstufe. Hier heißt es dann nur noch: Essen organisieren! Sofort! Wir fühlen uns wie ein Raubtier auf Beutefang. Und wehe, es kommt uns jemand in die Quere…

Wir sind durch den ersten Erfolg auf der Waage angespornt, beißen die Zähne zusammen, versuchen uns auszutricksen und ertragen irgendwie den Hunger.

Dein Körper fängt an, Energie zu sparen

Wenn wir Hungersignale dauerhaft missachten, schaltet unser Körper in den „Notmodus“, den sogenannten Hungerstoffwechsel um. Dies hat zur Folge, dass unser Körper Energie spart, wo er kann. Hier ein paar Beispiele:

 

Konzentrationsmangel, Müdigkeit und Schwächegefühl können sich einstellen, denn unser Gehirn ist von ausreichend Kohlenhydraten im Blut abhängig.

 

 Wir fangen schneller an zu frieren, weil unser Körper weniger Energie für die Regulation der Körpertemperatur verwendet. Die Energie wird für die Gehirn- und Organfunktion dringender gebraucht 

 

  Wir haben weniger Antrieb, uns zu bewegen, denn auch damit kann unser Körper Energie sparen. Das wiederum führt ebenfalls zu Muskelabbau 

 

Dein Körper fängt an, Gegenmaßnahmen zu ergreifen

Neben dem Energiesparen kommen noch andere Notmaßnahmen in Gange, wie z.B.

Schilddrüsenhormone: Die Produktion von Schilddrüsenhormonen, die den Stoffwechsel regulieren, nimmt ab, was den Stoffwechsel weiter verlangsamt.

Insulin: Der Insulinspiegel sinkt, da weniger Glukose verfügbar ist. Dies fördert den Fettabbau. Sind die Fettdepots leer, geht es an das Fett, das z.B. als Puffer für die Organe dient.

Kortisol: Der Kortisolspiegel kann steigen, um den Abbau von Muskelprotein zu fördern und den Blutzucker zu erhöhen. Kortisol wiederum ist ein sog. Stresshormon, das weitere Prozesse im Körper beeinflussen kann.

Ghrelin: Ghrelin spielt eine wichtige Rolle dabei, den Körper auf Nahrungsmangel aufmerksam zu machen und die Nahrungsaufnahme zu fördern. Wenn wir hungern, produziert unser Körper mehr Ghrelin. Dies führt zu einem verstärkten Hungergefühl, was den Drang zu essen erhöht.

Du ahnst es schon…

Leptin: Bei Hunger und vor allem bei längeren Phasen von Kalorienrestriktion sinkt der Leptinspiegel im Blut. Dies signalisiert dem Gehirn, dass die Energiespeicher (Fettreserven) niedrig sind, was den Appetit steigert und den Energieverbrauch senkt. Ein niedriger Leptinspiegel trägt dazu bei, dass der Körper versucht, Energie zu sparen und den Stoffwechsel zu verlangsamen.

Das sind nur ein paar der Maßnahmen und Folgen, die wir bei einer längeren Kalorienrestriktion erleben. In Wahrheit passiert noch viel mehr, aber das alles zu erklären, würde zu weit führen.

...es wird immer schwerer, den Hunger zu ertragen. Es entsteht eine Art Urhunger (Heißhunger). Das ist oft der Zeitpunkt, an dem wir anfangen, „etwas mehr als erlaubt“ zu essen. Und dann ist der „Scheißegal-Effekt“ auch nicht mehr weit. Die Folge? In der Diätkultur wird es „Essanfall“ genannt. Ich würde es eher „Überlebensessen“ nennen, denn unser Körper braucht einfach nur genügend Energie, um unser Überleben sichern zu können. Und hier kommt dann oft das Gefühl, versagt zu haben.

Aber das stimmt so gar nicht: Nicht wir versagen! Die Diätkultur erzählt uns einfach Bullshit. Kalorienrestriktion ist eine Bedrohung für unseren Körper, auf die er entsprechend reagiert.

Aber lass uns weiter gehen…

Stell dir vor, du hast Dein Vorhaben durchgehalten und dein Wunschgewicht erreicht und du fängst an, wieder mehr Energie zu dir zu nehmen.

Unser Körper bleibt meistens noch einige Zeit in diesem Notmodus. D.h. der Stoffwechsel ist weiterhin verlangsamt und wir spüren mehr Hunger und kaum Sättigung, obwohl wir inzwischen wieder mehr essen. Das liegt daran, dass unser Körper erst einmal wieder Reserven aufbauen will.

Das kann er am schnellsten, indem er Fettreserven anlegt. Der Muskelaufbau kommt erst später dran. D.h., dass wir durch eine solche Kalorienrestriktion auch noch unsere Körpermasse umbauen.

Die mühsam abgehungerten Pfunde kommen wieder zurück. Gefühle wie Frust, Scham und Versagen können entstehen.

Die „Abnehm-Erfolge“ in den ersten Tagen sind oft der Grund, warum wir meinen, dass das immer so sein müsste. Die Diätkultur macht uns glauben, dass Abnehmen doch ganz leicht ist. Was aber so überhaupt nicht stimmt. Immerhin ist inzwischen durch ausreichend Studien belegt, dass 95% der Diäten nicht funktionieren, sondern dass es ganz im Gegenteil zu einer Gewichtszunahme kommen kann.

Und hier möchte ich es noch einmal betonen: nicht wir haben versagt. Das Produkt „Abnehmen“ ist einfach eine Mogelpackung.

Und genau hier kommen die 10 Leitgedanken des Intuitiven Essens ins Spiel: Anstatt sich Kalorienrestriktionen aufzuerlegen, die letztlich zu Frustration führen, ist es viel hilfreicher, zu lernen, auf die eigenen Körpersignale zu hören. Intuitives Essen bietet einen ermutigenden Ansatz, bei dem du wieder Vertrauen in deinen Körper gewinnst und Lebensmittel ohne Schuldgefühle genießen kannst. Es geht darum, den Kreislauf von Verboten und Überessen zu durchbrechen und ein bewusstes Verhältnis zum Essen aufzubauen. Wenn du beginnst, deine Hungersignale zu respektieren und gleichzeitig gesunde Entscheidungen zu treffen, wirst du feststellen, dass Freude und Freiheit beim Essen möglich sind. Lass uns gemeinsam diesen Schritt zur Selbstakzeptanz und einem glücklicheren Lebensstil starten!

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